Verständigung über Grenzen mit der Sprache der Musik

Von Cornelia Mai

Ferien der ganz besonderen Art verbrachten jetzt eine Woche lang Musikschüler aus dem Niederschlesischen Oberlausitzkreis, dem Landkreis Löbau-Zittau, aus Hoyerswerda, Polen und Tschechien im Eurohof “Dreiländereck” in Hainewalde. Seit 1992 trifft sich hier einmal im Jahr das Musikschulorchester der Euroregion Neiße zum Probenlager mit anschließender Konzertreise.Die vergangene Woche im Schullandheim Eurohof in Hainewalde hebt sich ab von üblichen Schullandheim-Wochen. Statt ausgelassen tobender, die Gegend erkundender oder verschiedene Projekte bearbeitender Mädchen und Jungen herrschte hier vorwiegend angestrengte Arbeitsatmosphäre. Nicht auf den Spuren “Vom Flachs zum Leinen” wandelten die jungen Leute im Alter zwischen 13 und 20 Jahren, sie interessierten sich auch nicht für das Anlegen einer Kräuterspirale. Hoch konzentriert probten sie für ihre Konzert-Auftritte heute Nachmittag in Liberec sowie Sonnabend und Sonntag in Neustadt und Burglengenfeld. Auf dem Programm steht klassische Musik, verwoben zu einem anderthalbstündigen Orchesterkonzert.Sieben bis acht Stunden probten die jungen Leute täglich. “Das ist harte Arbeit, erfordert sehr viel Konzentration von jedem einzelnen”, erzählt jener, bei dem alle Fäden zusammenliefen, der letztlich verantwortlich war für die Güte der Aufführung – der diesjährige Dirigent Dieter Kempe. Schon einmal hatte er das Probenlager geleitet. Es hatte ihm sehr viel Spaß gemacht, auch deshalb, weil die Jugendlichen sehr engagiert und voller Begeisterung bei der Sache waren.Musik von Smetana, Bizet, Ludoslawski, Vivaldi oder Schumann erklang auch gestern wieder aus dem großen Gemeinschaftssaal des Eurohofes. Das Repertoire stand bereits fest, als Johann, Peter, Sara, Neita, Magdalena und die anderen jungen Leute aus Deutschland, Polen und Tschechien vorigen Sonnabend im Eurohof eintrafen. Sie alle erlernen seit Jahren ein Musikinstrument.Tausende Übungsstunden in der Musikschule und zu Hause liegen hinter ihnen. Im Probenlager und bei den anschließenden Konzerten hatten sie nun auch die Möglichkeit, ihre Fähigkeit als Musiker im großen Orchesterverbund auf die Probe zu stellen.Johann, Peter, Sara, Neita und Magdalena sind Schüler der Kreismusikschule Löbau-Zittau. Johann nimmt das erste Mal an dem Probenlager teil. Die anderen Vier sind zum zweiten Mal in Hainewalde. Einen kleinen Imbiss in den Pausen zwischendurch wünschten sich die Mädchen. Auch ein paar mehr Registerproben in den einzelnen Stimmen wären nicht schlecht. Natürlich ist ihnen klar, dass eine Woche nicht zu reichlich ist, um ein völlig neu und bunt gemixtes Orchester für ein anderthalbstündiges Konzert vorzubereiten.Zwar sind auch sie Leistungsschüler, wie die Leiterin der Musikschule Renate Ulbrich betont, trotzdem muss man sich aufeinander einstellen, muss eine gemeinsame Klangfarbe finden. Hier ist der Dirigent gefordert. Und auch der wechselt jährlich, wird im Wechsel einmal von polnischer, tschechischer oder deutscher Seite gestellt. Über die Musik findet sich schließlich die gemeinsame Sprache. “ . . .was die Politiker in jahrelanger Arbeit bisher nicht vermochten, schaffen die Kinder mit der Sprache der Musik” hatte einst der leider viel zu früh verstorbene Lothar Alisch über dieses Projekt gesagt. Wie gut Deutsche, Tschechen und Polen in der Musik harmonieren, das wird heute die Generalprobe im Eurohof zeigen. Die Konzertbesucher in Liberec, Neustadt und Burglengenfeld werden sich davon in den kommenden Tagen ebenfalls überzeugen können.

Quelle: SZ-Online vom 27.10.2000

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