Auf eine Tasse Jazz an den Fluss
Von Irmela Hennig

Chris Barber kommt.
Der große alte Mann des Jazz ist schon ein Zugpferd. Steffen Tempel hat das spätestens gemerkt, als er in Bautzen zum Einladung verteilen unterwegs war. Chris Barber? Ja, da überleg ich mal, so hat der Zittauer Student immer wieder gehört. Und dass die Karten für den Auftritt des britischen Posaunisten, Sänger und Jazz-Bandleader richtig schnell weggehen, ist noch so ein Zeichen.
Chris Barber steht für die Tradition im Festival Mandaujazz, das am 2. Oktober in Zittau beginnt. Doch darüber hinaus will Steffen Tempel, der neue Projektverantwortliche, viel frischen Wind in das kleine, feine Musikereignis bringen. Der Kultur- und Managementstudent will dabei zurück zu den Wurzeln, in jene 1980er Jahre als Mandaujazz noch eine ziemlich studentische Angelegenheit war. Er möchte das Festival verjüngen sowohl, was das Publikum als auch, was die Musiker angeht. Ohne die Stammgäste zu verprellen, sagt der junge Projektgestalter. Deswegen komme ja auch Chris Barber oder die Heppy Dixie Band mit Old Time und Traditional Jazz.
Aber darüber hinaus ist viel Raum zum Experimentieren, zum Spiel mit den Gruppen, Genres, Klängen. Dafür steht schon der Auftakt. Im Café Jolesch in Zittau gibt es am Dienstagabend Musik von einem Post-Jazz-Trio um Bandleader Matthias Rethberg. Das Wort Soundcollagen soll treffend beschreiben, was die drei Männer machen. Ihnen folgt auf dem Fuß und zu später Stunde im Café Emil ein tatsächlich Jazz-DJ. DJ Cup of Jazz (übersetzt etwa eine Tasse Jazz) kombiniert Electro-Sounds mit Swing und Latin-Jazz-Klängen.
So geht es weiter im Flusslauf der Mandau und im Laufe der Woche: Hier Modern Jazz auf dem Rathausplatz mit freiem Eintritt, dort Hard-Pop-Jazz in einem ehemaligen Zittauer Kaufhaus, in das Künstler eingezogen sind und das Wohnzimmeratmosphäre verspricht, erzählt Steffen Tempel.
Vielfalt der Orte
Überhaupt: Mandaujazz ist für ihn nicht nur eine Vielfalt der Stile, sondern auch der Orte. Deswegen will er in kommenden Jahren auch über Zittau und Hirschfelde hinaus Jazz unters Volk bringen. Immer dem Wasser folgende - zum Beispiel in Hainewalde und Großschönau. Auch in Tschechien sollen künftige Musikliebhaber intensiv angesprochen werden; es vielleicht sogar Konzerte geben. Schließlich fließt die Mandau, die dem Festival seinen Namen gab, auch dort. Dafür muss allerdings die Werbung übersetzt werden. Noch so eine Aufgabe, die es anzupacken gilt. Steffen Tempel ist gespannt auf Reaktionen; aber auch auf Anregungen, Wünsche. Und lädt die Lausitzer ein Entdeckungen zu machen. Hier gibt es Musik, die man so vielleicht noch nie gehört hat. Und die hoffentlich ankommt. Ob über Zittau hinaus, wird sich zeigen. Steffen Tempel will jedenfalls auf den Parkplätzen nach Nummernschildern schauen. Vielleicht sind ja tatsächlich Bautzener gekommen.
Quelle: SZ-Online vom 01.10.2012