Für historisches Flair sorgte Zar Peter I (Reinhard Alf Lauterbach, 2.v.l.) und seine Gefährten vom Barockverein Augustus Rex e.V. Foto: Thomas Knorr

Foto: Thomas Knorr

Bernsteinsuche im Schloss-Sandkasten

Von Jan Lange

Rund 1500 Gäste blicken in das verfallene Kanitz- Kyaw’sche Gut. Auch Familie Reitz aus Dresden macht sich auf nach Hainewalde.

Die gewaltige Schlossruine, die sich vor ihr erstreckt, interessiert Margarethe Reitz kaum. Und dabei ist der historische Prachtbau, der seit Jahrzehnten verfällt, doch der Anlass für den Besuch in Hainewalde.

Während sich ihre Eltern Annegret und Gert am Sonntag durch die alten Gemäuer führen lassen, richtet die siebenjährige Margarethe ihre Aufmerksamkeit auf den knapp eineinhalb mal eineinhalb Meter großen Sandkasten unweit des Parkeingangs. Hier sind winzige Bernsteine vergraben. Insgesamt 300 Stück. Für einen Euro können die Besucher eine halbe Stunde danach suchen.

Die Firma Pele TV aus Belgien, die zurzeit im Schloss einen Dokumentarfilm dreht, spielt damit auf die Gerüchte an, in dem kleinen Ort in der Oberlausitz sei das legendäre Bernsteinzimmer versteckt. Einige Meter weiter, am anderen Ende des Schlosspark, macht sich auch die Großschönauer Konditorei den seit Jahrzehnten verschwundenen Kunstschatz zu eigen. Sie verkauft so genannte Schlossbausteine mit einem Bernstein in der Mitte. „Ein schöner Werbegag“, findet Gert Reitz.

Die kleine Margarethe nimmt davon keine Notiz. Mit einer Plasteschaufel wühlt sie stattdessen eifrig im Sand. Und das sehr erfolgreich. Eine Handvoll Bernsteine gräbt das Mädchen aus Dresden am Ende aus. „Die kommen ins Schätzkästchen“, erklärt ihre Mutter Annegret. In der Kiste bewahrt die Siebenjährige bereits jede Menge andere „Schätze“ auf. So auch die in den Augen des Kindes wertvollen Funde aus dem jüngsten Ostseeurlaub. „Sie hat jede Scherbe aufgelesen“, erzählt die Mutter.

Den südöstlichsten Zipfel des Freistaates kennt Familie Reitz relativ gut. Bis 1981 lebte sie in Schirgiswalde. In Eulowitz bei Großpostwitz besitzen sich heute ein kleines Häuschen, in dem sie fast jedes Wochenende verbringen. „Wir überlegen, wieder zurück zu kommen“, sagt der 46-jährige Familienvater. Auf die Frage, ob es bereits feste Pläne gibt, antwortet der selbstständige Finanzberater ohne lange zu überlegen: „Vielleicht in fünf oder sechs Jahren.“ Annegret Reitz ist von den Aussagen ihres Mannes ein bisschen überrascht. „Was du so planst.“

Zu dem Kurztrip nach Hainewalde entschlossen sich die beiden erst am Freitag. „Ich bin sehr geschichtsinteressiert“, begründet der Vater die spontane Entscheidung. Bislang ist es vor allem die Geschichte Dresdens, die ihn fasziniert. „Das vor fünf Jahren erschienene Buch ,Das alte Dresden’ von Fritz Löffler gehört zu meinen Lieblingsbüchern“, sagt er.

Das Kanitz-Kyaw’sche Schloss in Hainewalde, das die Gemeinde Großschönau 1927 erwirbt, besuchen sie zum ersten Mal. Gespannt folgen sie den Worten von Jürgen Böhmer, der den Schlossbesuchern mit Leidenschaft die Geschichte des alten Herrschaftshauses nahe-bringt. Mit kraftvoller Stimme erzählt er von den früheren Schlossherren, von der Nutzung als Wohnhaus nach dem Krieg und dem missglückten Versuch eines Wiesbadener Investors, in den 90er Jahren im obersten Geschoss ein Restaurant einzubauen. „Zwischen 25 und 35 Millionen Euro sind notwendig, um das Schloss zu sanieren“, so Böhmer. Eine Summe, die weder die Gemeinden Großschönau und Hainewalde noch der Förderverein aufbringen können.

Immerhin wird der stark einsturzgefährdete Ostflügel demnächst saniert. Mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, deren Spendenaktion für das Hainewalder Schloss bislang über 100000 Euro erbrachte. Ein paar Euro gibt auch Familie Reitz dazu. Nicht nur bei der Bernsteinsuche ihrer Tochter.

Für Gert Reitz steht fest: „Die sind hier richtig engagiert.“ Obwohl es in seinen Augen ein Kampf wie der von Don Quichotte gegen Windmühlen ist.

Quelle: sz-online.de 03.09.2007

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