Gemeindeblatt vom 16. Oktober 2015
Liebe Hainewalder, liebe Leser des Nachrichtenblattes,
die Auslagen in den Geschäften zeigen uns; es geht auf Weihnachten zu. Zum Glück hat es der Handel eiliger, als der Kalender.
Jetzt kommen erst mal die Kartoffelferien. So hießen die Herbstferien in meiner Schulzeit und da wurden wirklich Kartoffeln gelesen. Es gab nicht viel Geld für einen vollen Korb gesammelter Abern. Aber, nach getaner Arbeit spendierten die Bauern leckeren Kakao und Schnitten mit echter Bauernwurscht. Und das meist in Bauers Küche unweit von den Stallungen für Huhn, Rind und Schwein, die vor dem Gaumenschmaus natürlich besichtigt werden mussten. Mein Lieblingsabernlesebauer war der Belger-Bauer am Querweg und… der hatte natürlich auch die beste Leber- und Blutwurscht aus dem Glase und der Kakao schmeckte nach gut West.
Wahrscheinlich hatte Belger-Bauer einen heißen Paketdraht aus Richtung goldenen Westen. Übrigens war die Bauernwurst ein beliebtes Tauschobjekt für Kinder aus der Landwirtschaft. Die tauschten ihre Schnitten gern gegen Bemmen mit gewöhnlicher Fleischerwurst. Die eigene aus dem Glas hing ihnen wohl „aus dem Hals heraus“, wie man so schön sagt.
Das sind eben Kindheitserinnerungen. Heute würden uns die Kinder einen Vogel zeigen, wenn wir sie zum Kartoffellesen schicken würden. Uns hat es nicht geschadet. Immerhin weiß ich dadurch noch, dass die Kartoffeln unter der Erde reifen und die Tomaten mindestens eine Etage höher. Heute ist dieses Grundwissen der Nahrungsmittelkunde unter den jungen Leuten angeblich nicht so verbreitet.
Den gefühlten Sommer bei Temperaturen um 22 Grad beendete das traditionelle Blasmusikfest am 3. Oktober in unserer Turnund Festhalle. Immerhin war es die zwanzigste „Blasmusik im Mandautal“. Dank gilt den „Oberländer Blasmusikanten“, die uns seit so langer Zeit den „Tag der Einheit“ derart untermalten.
Keine Anfrage des Landkreis zur Unterbringung von Flüchtlingen
Diesmal hatten sie als Gäste eine Blasmusikformation aus Liberec geladen. Einfach klasse! Und der brave Soldat Holdi Lischke führte mit Witz und Humor durch das abwechslungsreiche Programm. Es ist kein Wunder, dass Fragen zum Langzeitthema 1 – Flüchtlinge – bei dieser Gelegenheit an mich herangetragen wurden. Nein, eine Anfrage zur Aufnahme von Flüchtlingen seitens des Landkreises wurde bisher noch nicht gestellt. Wahrscheinlich sind wir etwas weit weg vom Schuss, um für Flüchtlingsaufnahmen geeignet zu sein. Alles kann aber eine Frage der Zeit sein, wenn die Entwicklung so weitergeht.
Meines Erachtens gab es in den Jahren nach der Wende kein politisches und menschliches Thema, an dem sich die Gemüter so erhitzten. Schließlich geht es hier nicht wie in der Finanz- und Griechenlandkrise hauptsächlich um Geld. Hier geht es um Menschen mit allen ihren Eigenheiten, wie wir sie eben auch haben.
Zweites Oberlausitzer Gespräch in Spitzkunnersdorf
Sehr informativ dazu war das „Zweite Oberlausitzer Gespräch“ Mitte September in der Nikolaikirche Spitzkunnersdorf, zu dem der Förderverein der Kirche und der Bundestagsabgeordnete Michael Kretschmer eingeladen hatten. Als Gastredner war der Theologe und Publizist Jens Motschmann aus Bremen angereist, der sich – nach seinen Worten – seit den Terroranschlägen auf das World-Trade-Center intensiv mit dem Islam beschäftigt hat.
Das Thema des Abends lautete: „Christentum und Islam – was uns verbindet, was uns trennt“. Über beide Glaubensrichtungen auf der Grundlage von Bibel und Koran, in der Konsequenz von Dialog und Toleranz, konnte diskutiert werden. Pfarrer Motschmann erklärte die fünf Säulen des Islam und die inhaltlichen Besonderheiten des Koran. Die Informationen über die uns eher fremde Religion waren zum Teil erschütternd und folglich die Stimmung in der Nikolaikirche nach dem Vortrag und einer „vorsichtiger Diskussion“ mehr als nachdenklich. Das Schlusswort des Redners „es sind nicht die fremden Menschen, die uns Probleme bereiten werden, sondern deren Religion“ ließ viele Fragen offen.
Der beflügelte Ausspruch: „Wir schaffen das…“ erschien unter den Verlautbarungen des Abends als eine heikle Phrase. Nachdenklich machten Besucherstimmen hinter vorgehaltener Hand beim Verlassen der Veranstaltung: „Ist es schon wieder so weit, dass kritische Meinungen nur hinter Kirchengemäuern geäußert werden dürfen. Das erinnert an die Zeit vor 1989…“.
Diese gewonnenen Eindrücke erschütterten, so wie die Veranstaltung vorher, selbst wenn ein anderer Redner das Thema des Abends ganz anders verarbeitet hätte. Eigentlich sollte eine Demokratie auch kritische Töne vertragen. Aber politisches Machtstreben und das Nichtvermögen, Fehler zu korrigieren schließt das wohl aus. Schade! Wir vergeben uns was.
Ich wünsche Ihnen schöne Herbsttage und dass sie Ihre Abern beizeiten im Trocknen haben.
Ihr Jürgen Walther