Generationswechsel bei den Gebirgsärzten

Von Gesine Schröter

Generationswechsel bei den Gebirgsärzten

Sorgen um die Weiterführung ihrer Praxis in Hainewalde habe sie sich kaum machen müssen, meint Allgemeinärztin Jutta Krause. Denn ähnlich wie sie selbst hegte auch ihr Sohn Günter Krause schon seit den Kindheitstagen den Wunsch, Arzt zu werden. Damit er auch wirklich bleibt, hat die Mutter ein paar Rahmenbedingungen geschaffen. Nicht nur in Hainewalde, auch in der Jonsdorfer Praxis von Ärztefamilie Fritsche rückt mit Sohn Marcus Fritsche die jüngere Generation nach. Doch bei der mischt sich unter die Freude dann doch Sorge.Foto: Thomas Eichler

Normalerweise ist das kein Satz zum Lächeln: „Die Kündigung habe ich heute früh schon überreicht bekommen“, sagt Jutta Krause. Bei ihr ist das aber sehr wohl eine positive Aussage. Freundlich winkt sie zu sich herein, in eins der Behandlungszimmer der verwinkelten Praxis an der Hainewalder Talstraße. Ihr ist anzumerken, wie vertraut und verwurzelt sie mit diesen Räumen ist. Und mit ihrem Beruf: Arztkittel und Stethoskop werden heute noch nicht abgelegt.

Gerade hat sie sich hingesetzt, da steht sie wieder: Eine Mitarbeiterin des örtlichen Pflegedienstes wartet mit Blümchen im Türrahmen, lobt Frau Krause als „tolle Teamplayerin“ und bedankt sich herzlich für die jahrelange Zusammenarbeit. Denn dieser Julimorgen ist Krauses offiziell letzter als praktizierende Ärztin. Nach über vier Jahrzehnten begibt sie sich nun mit 66 in den Ruhestand.

In Zeiten des beklagten Ärztemangels, vor allem im ländlichen Raum, muss ihre Hainewalder Patientenschaft jedoch erst einmal nicht bangen. Denn für ihre Nachfolge ist gesorgt. Bereits vor anderthalb Jahren hatte Sohn Günter die Praxis übernommen; sie selbst war ab da noch angestellt und half mit, vor allem durch Hausbesuche. Jetzt übernimmt Günter Krause komplett. „Es wird sich sicher etwas ändern“, sagt die Mutter, „manche Dinge müssen bestimmt effektiver gestaltet werden.“

Ganze 41 Jahre war Jutta Krause nun als Medizinerin tätig, seit 1. Januar 1991 in diesen Räumen, als niedergelassene Ärztin in ihrem Geburtsort. Gleich nach der Wende hat sie gemeinsam mit ihrem Mann und Freunden die Praxis gebaut, neben dem Haus ihres Vaters, dem Fleischermeister Schüttig. Von ihm habe sie die Gabe, eine gute Ärztin zu sein: „Er war so gütig und hilfsbereit“, erzählt Frau Krause. Genauso dankbar sei sie, dass sie Medizin studieren konnte, von 1967 bis 1970 in Berlin, dann in Dresden. Danach besorgte sie sich entgegen den DDR-Planungsgepflogenheiten ihren Arbeitsvertrag selber, in der Zittauer Robur-Ambulanz an der Gerhart-Hauptmann-Straße. „1979 stand dann mein Kinderwagen hinter der Baracke“, erzählt sie, mit Sohn Günter.

Schon als Kind habe er immer gesagt, er würde ihr helfen. Und das hielt er auch ein, kam nach seinem Studium in Mainz über Dresden zurück nach Hainewalde. Damit auch seinem privaten Glück nichts im Wege stand, stellte Jutta Krause seine Lebensgefährtin bei sich ein.

Hainewalde ist nicht der einzige Ort, in dem zum Juli ein Ärzte-Generationswechsel stattgefunden hat. Auch die Jonsdorfer Allgemeinmedizinerin Christine Fritsche hat sich aus der Gemeinschaftspraxis mit ihrem Mann Thomas Fritsche in den Ruhestand verabschiedet. Der hat nun mit Sohn Marcus, ebenfalls Facharzt für Allgemeinmedizin, eine neue Gemeinschaftspraxis gegründet. Somit geht die ärztliche Versorgung auch für Fritsches Patienten weiter.

Aber leider nicht für alle gleichermaßen. Denn gleichzeitig zur Übergabe in der Jonsdorfer Praxis musste Thomas Fritsche seine Nebenstelle auf der Hauptstraße in Bertsdorf schließen – laut Jonsdorfer Amtsblatt aus „organisatorischen Gründen“. Das heißt auch, aus Kapazitätsgründen, erklärt Marcus Fritsche etwas genauer. Natürlich würden die Bertsdorfer Patienten aber in der Jonsdorfer Praxis weiterbehandelt. Trotzdem bittet er die Bevölkerung des Nachbarortes um Verständnis.

Der stellvertretende Bertsdorf-Hörnitzer Bürgermeister Günther Ohmann hatte bereits vor einiger Zeit im Gemeinderat darüber informiert, dass die seit 60 Jahren bestehende Arztstation nicht weitergeführt würde. Die Begründung: Fritsches könnten sie nicht mehr stemmen. „Aber wir haben ja nicht nur Autofahrer im Ort“, hatte Ohmann damals gesagt und wollte noch einmal mit den Jonsdorfer Ärzten sprechen – vermutlich erfolglos.

So mischt sich unter die Freude über den doppelten Ärzte-Generationswechsel also auch Enttäuschung. Und auch aufseiten der nachrückenden, jungen Ärzte hält sich die Euphorie in Grenzen. Sowohl Günter Krause in Hainewalde als auch Marcus Fritsche in Jonsdorf halten sich mit klaren Äußerungen zu ihren Praxisübernahmen zurück. – wahrscheinlich aus Kapazitätsgründen.

Quelle: SZ-Online vom 19.07.2014

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