Rainer Buttig präsentiert einige seiner Ordner mit Eisenbahngeschichte. Foto: Bernd Dreßler

Foto: Bernd Dreßler

„Ich sah als Fahrdienstleiter den brennenden Zug“

Von Bernd Dreßler

Es ist schon ein Glücksfall, wenn sich Zeitzeugen zu einem lange zurückliegenden geschichtlichen Ereignis melden. Nach der Veröffentlichung des Beitrages „Triebwagen als brennende Fackel unterwegs“ (SZ vom 18. März, Seite 18) trat dieser Glücksfall ein. Der 69-jährige Rainer Buttig aus Hainewalde meldete sich am Telefon mit den Worten: „Ich war damals der Fahrdienstleiter, als der Triebwagen den Bahnhof Hainewalde passierte.“ Zur Erinnerung: In den Mittagsstunden des 20. Februar 1960 hatte ein Personenzug der tschechoslowakischen Staatsbahn auf seiner Fahrt Richtung Zittau Feuer gefangen. Nur durch umsichtiges Handeln wurde damals ein schlimmer Bahnunfall verhindert.

Der Ofen war schuld

Rainer Buttig berichtet: „Es war 12.15 Uhr an jenem Sonnabend, als der CSD-Triebwagen 2626 aus Pilsen in Richtung Reichenberg durch Hainewalde fuhr. Der Rauch war nicht zu übersehen. Unweit des Bahnhofes stoppte der Zug. Der Zugführer kam auf mich zu. Ich alarmierte sofort die Feuerwehr. Eigentlich sollte der Triebwagen bis zum nächsten Bahnübergang zurückfahren, um der Feuerwehr eine günstige Zufahrt zu ermöglichen, doch die Tschechen bekamen es offenbar mit der Angst zu tun und fuhren nach Mittelherwigsdorf weiter. Also mussten die Feuerwehren umgeleitet werden.“ Brandursache, so weiß Rainer Buttig, war allerdings kein technischer Defekt. „Diese Triebwagen wurden noch mit Öfen beheizt. Dadurch ist das Feuer entstanden.“

Während der Löscharbeiten war auch die tschechische Grenzpolizei zugegen. Sie bewachte die Passagiere, damit sie sich nicht von der Strecke auf DDR-Gebiet entfernten.

Zwei Tage später bekam Rainer Buttig ein Dankschreiben vom Betriebsleiter des Reichsbahnamtes Bautzen: „Durch Ihr umsichtiges, entschlossenes und rasches Handeln haben Sie dazu beigetragen, daß die notwendigen Rettungsarbeiten sofort eingeleitet werden konnten. Dadurch war es möglich, Personenschaden zu vermeiden.“ Verbunden war der Dank mit einer Buchprämie, einem Bildband über die Tschechoslowakei.

42 Dienstjahre

Rainer Buttig war damals 19 Jahre jung. Von 1954 bis 1957 hatte er bei der Bahn in Zittau gelernt, ehe der Bahnhof Mittelherwigsdorf nach bestandener Fahrdienstleiterprüfung 1958 seine erste Einsatzstelle war. Und in Mittelherwigsdorf auf dem Stellwerk beschloss der Hainewalder auch sein Berufsleben bei der Bahn – nach 42 Dienstjahren. Insofern ist der langjährige Reichsbahn-Hauptsekretär ein lebendes Eisenbahngeschichtsbuch, der nicht nur über dieses Vorkommnis von 1960 berichten kann.

So hätte es am 15. Juni 1975 eine weitere Eisenbahnkatastrophe auf seinem Streckenabschnitt gegeben, die Rainer Buttig aber mit Umsicht zu verhindern wusste. Gegen 16 Uhr musste ein aus Reichenberg kommender tschechischer Güterzug wegen Verspätung im Bahnhof Mittelherwigsdorf warten, damit ein deutscher Personenzug aus Großschönau auf der eingleisigen Strecke passieren konnte.

Um in Mittelherwigsdorf den Übergang für die Reisenden frei zu bekommen, bedeutete die Aufsicht dem tschechischen Lokführer, er solle bis zum Signal vorfahren. Die Tscheche verstand das „Vorfahren“ aber als „Weiterfahren“ und fuhr los – dem DDR-Personenzug entgegen! „Ich rief sofort den Schrankenposten 3 unweit des Carola-Heimes an. Dem gelang es, zunächst den deutschen und dann den tschechischen Zug zu stoppen“, schildert Rainer Buttig die überaus brisante Situation. Und schüttelt mit dem Kopf: „Kurze Zeit später wurde der Schrankenposten abgerissen und durch eine automatische Halbschrankenanlage ersetzt. Wenn es dann zu dieser Begegnung gekommen wäre …“

Blick auf die Mandaubahn

Aber auch im Ruhestand ist Rainer Buttig täglich mit der Bahn verbunden. Wenn er von seinem Grundstück Am Butterberg ins Tal blickt, sieht er die zuckelnden Triebwagen der Mandaubahn und hört ihr Hupen. Eisenbahnromantik pur, zu der Unfälle eigentlich nicht passen.

Quelle: SZ-online.de

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