Oberlausitzer schaffen es bis Jordanien

Von Holger Gutte

Oberlausitzer schaffen es bis Jordanien

8 700 Kilometer haben sie von Deutschland bis Jordanien hinter sich – das Rallyeteam Oberlausitz mit seinen drei Fahrzeugen. Fotos: Sarah Köhler und Stephan Rankl

Sie haben es geschafft. Nach rund 8 700 Kilometern sind fünf Jugendliche aus der Oberlausitz und einer aus dem Erzgebirge mit ihren schon etwas älteren Autos heil in Jordanien angekommen. Stephan Rankl kommt ins Schwärmen, wenn er von der Allgäu-Orient-Rallye erzählt. Einzigartig sind nicht nur für den 28-jährigen Großschönauer die Erlebnisse während der dreiwöchigen Rallye gewesen. „Wir hatten nur eine Situation, bei der uns ein mulmiges Gefühl aufkam“, sagt Sarah Köhler. Die 20-jährige Mittelherwigsdorferin meint eine Situation, als sie nachts durch ein albanisches Dorf fuhren. Es ist kurz vor der griechischen Grenze gewesen. Die ganze Zeit waren die Straßen menschenleer und plötzlich sind von allen Seiten Leute auf die drei Fahrzeuge des Rallyeteams Oberlausitz zugekommen. Über Funk haben die drei Autos unterwegs immer miteinander Kontakt halten können. „Bloß nicht anhalten, habe ich gesagt“, erinnert sich die 20-jährige Studentin. Vielleicht sind die Leute nur neugierig gewesen und hatten es gut gemeint. Aber das Risiko, dass es nicht so sein könnte, wollte sie lieber nicht eingehen. Zum Team gehören auch Toni Krömer (25, Hainewalde), Andreas Rankl (24, Götheby-Holm), Jonas König (27, Olbersdorf/Radibor) und Nils Ruttloff (Auerbach).

Auch Despina Rankl, die Mutter der zwei Rankl-Brüder, macht sich zu der Zeit Sorgen. Weil alle Fahrzeuge aus Sicherheitsgründen mit einem GPS-Sender ausgerüstet sind, kann die gebürtige Griechin in Großschönau genau verfolgen, wo sie sind, und wann sie fahren. „Ich habe ihnen gesagt, dass ich es nicht gut finde, wenn sie dort nachts fahren“, sagt sie. Am Tag sind die Straßen leer. Die Leute gehen erst abends auf die Felder. „Das haben wir gemerkt. Da musst du höllisch aufpassen“, mein ihr ältester Sohn. Straßenbeleuchtung gibt es nicht. Plötzlich taucht da vor dir auf einer schmalen „Straße“ ein vor sich hin tuckernder Traktor mit Hänger auf, der nicht mal Rückstrahler besitzt. Viele der 90 Teams, die am 10. Mai in Oberstaufen im Allgäu gestartet sind, wählten diese Route. Eigentlich waren 111 Teams gemeldet, aber 20 haben wegen Sicherheitsbedenken abgesagt. Durch Österreich, Italien und Slowenien sind alle 270 Autos gefahren. Ab Kroatien haben die Teams unterschiedliche Routen gewählt. Manche sind über Bulgarien und Rumänien in Richtung Türkei gefahren. Die drei Autos aus der Oberlausitz haben die Küstenstraße durch Kroatien gewählt. „Da sind wir nicht schneller vorangekommen. Die ganze Küste lang ging es selbst in Bosnien-Herzegowina und Montenegro über Serpentinen“, sagt Stephan Rankl. Dennoch entschieden sich die meisten Fahrer für die Route. Er wundert sich, dass ihr Team hier in der Spitzengruppe fuhr. „Wir sind reifenschonend gefahren und nicht wie andere die Berge hochgebrettert.“ Zwar haben sie auf ihren Autodächern zwölf Ersatzreifen festgezurrt, die wollten sie aber für den arabischen Teil der Strecke aufheben. Denn bei der Rallye durften nur Landstraßen benutzt werden. Je weiter es gen Süden ging, umso holpriger wurden diese.

Aber nicht nur das: Auch die Beschilderung nimmt immer mehr ab. „In Tirana sind wir zigmal im Kreis gefahren“, erinnert er sich. Die Schilder sind oft zugewachsen. Bei einer freien Streckenwahl von Deutschland bis Jordanien, bei der man ohne Navigationsgerät nur nach Karte fahren muss, ist das schwierig. Da geht schnell Zeit verloren. Aber bei der Allgäu-Orient-Rallye gelten besondere Regeln. Nicht wer zuerst in Wadi Rum in Jordanien ankommt, gewinnt. Die Tour dient einem humanen Zweck und der Völkerverständigung. Wer unterwegs die meisten Punkte sammelt, gewinnt. In einigen Ländern müssen Punkte angefahren und Aufgaben gelöst werden. Startberechtigt sind nur Fahrzeuge, die mindestens 20 Jahre alt sind oder nur einen Wert von 1 111 Euro haben.

In Griechenland gönnt sich das Team einen Umweg in den Heimatort von Despina Rankl. Für einen Nacht mal wieder in einem Bett schlafen und Duschen können, war es das wert. In Istanbul treffen sich alle 270 Fahrzeuge. Gemeinsam geht es über den Bosporus. „Wir haben alle mit unseren Autos direkt auf dem Parkplatz vor der Blauen Moschee geparkt und dort geschlafen“, erzählt Stephan Rankl. Als sie früh aus den Autos krabbeln, klicken von allen Seiten die Kameras der Touristen. In der Türkei erfüllen sie die meisten Aufgaben. Einmal müssen sie nach Bildern fahren und Fotos machen, um zu beweisen, dass sie da waren. In einem Jugendkulturzentrum geben sie die 20 Dachziegeln ab, die jedes Team pro Auto am Start für den Transport dorthin erhalten hat.

Obwohl es zwischen der Türkei und Israel keine Fährverbindung gibt, hat das jordanische Königshaus extra für die Rallye eine ermöglicht. Alle Autos werden nach Haifa verschifft, während die Besatzungen mit dem Flugzeug nach Tel Aviv fliegen. Nur ein Team schafft das nicht. Weil es die Fähre verpasst hat, wollte es über Irak nach Jordanien. Dort schickte es aber das Militär wieder zurück. „Schade, dass wir nur einen halben Tag in Israel unterwegs waren“, findet Stephan Rankl. Denn von dort ist es schnell über Palästina nach Jordanien gegangen. Eine Nacht haben sie hier mitten in der Wüste geschlafen. „Als ich früh aufwachte, standen rings um unser Lager in 100-Meter-Abständen Soldaten. Ich glaube, die waren die ganze Nacht da“, sagt er.

Die Rallye ist super organisiert und überall auch auf Sicherheit bedacht gewesen. In allen Grenzübergängen sind die Autos durchgewunken worden – selbst an der israelischen. Bis auf das Team der jordanischen Königsfamilie. Dem ist in Israel die Einreise verweigert worden. „Ich seh´ doch deutscher aus als du“, machte sich ein Fahrer des Teams gegenüber Stephan Rankl Luft. Braun gebrannt und drei Wochen nicht rasiert, hatte er keine Probleme. Die Rallye gewonnen hat ein deutsches Team. Alle Mannschaften, die es nicht aufs Podest schafften, sind Vierte geworden. Wie im Regelwerk festgeschrieben, blieben alle Autos in Jordanien. Das Geld, dass beim Verkauf reinkommt, erhalten Flüchtlinge. Isomatten, Schlafsäcke und sonstiges haben Beduinen erhalten.

Quelle: SZ-Online vom 12.06.2015

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