Weniger ist mehr
von Christiane Zitzkat
Weniger ist mehr – jetzt in der Fastenzeit vor Ostern heißt dies, bewusster zu leben. Ursprünglich diente die Fasten- bzw. die Passionszeit zur inneren Vorbereitung auf das Leiden und Sterben Jesu und seine Auferstehung und nicht dazu, wieder einmal eine neue Diät auszuprobieren, um endlich die überflüssigen Pfunde vom Weihnachtsfest loszuwerden. Es ist eine Zeit, in der viele Christen von Aschermittwoch bis Ostern auf scheinbar sehr wichtige Dinge im Alltag verzichten, sei es nun der Genuss von Fleisch oder das Auto oder der Fernsehabend zu Hause. Mancher mag darüber verständnislos den Kopf schütteln, doch plötzlich gewinnen ganz selbstverständliche, oft übersehene Dinge wieder ihren Wert. Vielleicht erinnern sie sich noch an vergangene Sommertage: Wie schmeckt ein Glas Wasser nach einer langen Durststrecke köstlich und man erlebt es wie ein Geschenk des Himmels.
Zudem wird in der Fastenzeit ein weiterer Aspekt betont, nämlich, dass wir Menschen uns stärker für Gott und für unsere Mitmenschen öffnen und uns nicht so viel von anderen Angelegenheiten ablenken lassen. Dahinter steckt die Überzeugung, dass uns Gott im anderen Menschen begegnen kann, beispielsweise wenn wir jemanden einladen, den wir sonst nie einladen würden und ihm Gastfreundschaft gewähren oder wenn wir mal unseren langjährigen ehemaligen Nachbarn im Altenheim besuchen und ihm zeigen, dass wir ihn nicht so schnell vergessen haben. Wir geben ein Stück Privatsphäre und Freizeit auf und bekommen dafür einen Menschen geschenkt. Der Verzicht auf der einen Seite bringt an anderer Stelle oft einen Gewinn. So wird die Passionszeit ein Weniger an Gleichgültigkeit und ein Mehr an Mitmenschlichkeit. Denn Jesus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.
SZ vom Samstag, 02.03.2013
Quelle: SZ-online.de