Gemeindeblatt vom 12. April 2019

Liebe Hainewalder, liebe Leserinnen und Leser des Nachrichtenblattes,

Ein Hauch von Frühling. An der Breitebergstraße blühen die Pflaumenbäume. Foto: J. Walther

Ein Hauch von Frühling. An der Breitebergstraße blühen die Pflaumenbäume. Foto: J. Walther

wenn von den Kollegen des Bauhofes das Winterstreugut von den Straßen gefegt wurde und die Störche auf der Esse der ehemaligen Papierfabrik klappern, muss Frühling sein in Hainewalde. Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, dass bereits Anfang April jemals die Birken ausgetrieben hatten. Vor 50 Jahren holten die Schüler um den 20. April Jungbirken in die beheizte Schule, damit die Bäumchen bis zur Maidemonstration ihr grünes Blattwerk entfalten konnten. Obwohl wir Wohlstandsmenschen das Thema gern verdrängen; der Klimawandel scheint ernst zu machen und wir dürfen uns nicht nur Gedanken machen, wie wir mit dem Phänomen umgehen. Wir müssen handeln!

Zum Handeln fühlen sich offensichtlich auch Politiker besonders vor den Wahlen ermuntert, wenn es um Befindlichkeiten geht. So musste ich zwei Mal auf den Erscheinungstag der Sächsischen Zeitung schauen – immerhin konnte es auch die Ausgabe vom 1. April sein – als ich unter der Rubrik „Sonntagsfrage“ am 6. April lesen konnte: „Für Sachsens ehrenamtliche Bürgermeister will man (CDU-Fraktion) erreichen, dass diese in der Regel künftig alle hauptamtlich arbeiten. Auf neue Gebietsreformen im Freistaat soll verzichtet werden.“ Na prima. In Sachsen wurden 1998 durch das Gesetz zur Gemeindegebietsreform bestehende Strukturen zerschlagen, ohne nur annähernd die Folgen zu bedenken. Aus selbstständigen Gemeinden entstanden per Gesetz Verwaltungsgemeinschaften oder Verwaltungsverbände, die oftmals bis heute mehr schlecht als recht funktionieren, weil ausgerechnet auf diesem schwierigen Terrain der ansonsten gesellschaftlich gewollte Wettbewerb von vornherein ausgeschlossen wurde. Streitigkeiten – hauptsächlich wegen der Finanzen – waren vorprogrammiert und der Willkür Tür und Tor geöffnet. Der ehrenamtliche Bürgermeister durfte fortan per Anweisung (!) an den hauptamtlichen Bürgermeister der sogenannten erfüllenden Gemeinde Verwaltungsaufgaben übertragen. Das Ganze stellte sich als ein untaugliches Instrument heraus, um Gemeindeentwicklung effektiv und zum allseitigen Nutzen zu betreiben, von wachsender kommunaler Zusammenarbeit ganz zu schweigen. Hintergründiges Ziel war es, dass sich die Mitglieder einer Verwaltungsgemeinschaft über absehbare Zeit zu einer Einheitsgemeinde zusammenschließen. Das ist in der Realität eher selten eingetreten, weil mangels Weitsicht im Gesetz Konflikte vorprogrammiert waren und zwischen ehemals anvisierten Partnerschaften innerhalb der Verwaltungsgemeinschaften wuchsen eher Mauern – zumindest in den Köpfen.

Und nun nach zwanzig Jahren soll eine Rolle rückwärts die Welt wieder richten. Der ehrenamtliche Bürgermeister darf – wenn es die Finanzsituation der Gemeinde zulässt und der Gemeinderat es möchte – hauptamtlich agieren und müsste entsprechend vergütet werden. Doch, soll sich der dann Hauptamtliche wieder eine eigene Verwaltung zulegen, um sein „Reich“ zu verwalten? Welch ein Unsinn. Ich kann nur hoffen, dass die Sachsen-CDU ihre flotten Sprüche recht bald näher formuliert, bevor der Misthaufen von 1998 noch eine weitere Schicht Realitätsferne erhält. Ich kann in meiner Lesart zum oben genannten Zeitungstext auch falsch liegen. Zweifellos sind in den letzten Monaten in der neuen Staatsregierung viele gute Entscheidungen für die Kommunen getroffen worden und weitere gute Ideen kursieren. Doch alles sollte mit der Lebenswirklichkeit abgewogen werden. Schnellschüsse sind in diesem sensiblen Bereich untauglich. Was mich selbst betrifft: Ich war von 1994 bis 2001 hauptamtlich in Hainewalde als BM tätig. Ab Herbst 2001 ging ich per Gesetz ins Ehrenamt. Gleichzeitig wurde die komplette Hainewalder Verwaltung nach Großschönau ausgelagert. Zum gleichen Zeitpunkt bekamen wir den Titel „Programmdorf“ (2001 bis 2005), was uns die
Chance verstärkter und relativ unkomplizierter Förderung gab.

Für mich stand damals die Frage auszusteigen, oder – jetzt im Ehrenamt – die Entwicklungsmöglichkeiten, die das „Programmdorf“ bot, vollumfänglich auszuschöpfen. Ich habe mich damals für das Letztere entschieden, weil es im Vorfeld sehr viel Aufwand bedurfte, den Titel „Programmdorf“ zu bekommen. Über den persönlichen Verzicht im Verhältnis zu dem kräftezehrenden Einsatz möchte ich im Nachhinein nicht klagen. Aber jetzt, wo
unser Dorf ein echtes Schmuckstück geworden ist, kommt man mit dem Angebot hauptamtlicher Bürgermeister. Damit werden die brüskiert, die über Jahre im Ehrenamt „ihre“ Kommunen erfolgreich entwickelt und handlungsfähig gehalten haben.

Ich weiß, dass ich mich wieder mal unbeliebt mache. Aber Biographien wiederholen sich nicht. Zur Vorsicht mahnt ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 20. Dezember 2018. Schließlich geht es im Urteil um zulässige Inhalte eines Amtsblattes, wie es hier vor Ihnen liegt. So steht auszugsweise geschrieben: „Im Einzelnen hat der BGH dargelegt, dass die Selbstverwaltungsgarantie staatliche (und somit auch kommunale) Pressearbeit legitimiere, soweit es für sich um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben handelt. Als zulässiges Informationshandeln einer Kommune wurde die Weitergabe von Informationen mit dem Ziel, Politik verständlich zu machen, die Bevölkerung über Politik und Recht im jeweiligen Aufgabenkreis zu informieren und staatliche Tätigkeit transparent zu gestalten, angesehen.“

Ich hoffe, ich bewege mich mit meinen Ausführungen im Rahmen des Urteils. Wenn nicht, gibt’s ja noch die Möglichkeit der Zensur.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Osterfest!

Ihr
Jürgen Walther
Bürgermeister