Hainewalde – das Zeugnis einer Liebe

Von Irmela Hennig

Eine Gemeinde kämpft seit Jahren um die Rettung des großen Schlosses. Das droht, zumindest teilweise einzustürzen.

Schubkarre für Schubkarre haben Gärtner um 1751 einen Hügel aufgeschüttet. Mitten in Hainewalde, beinahe direkt am Flüsschen Mandau, wollten Samuel Friedrich und Christiane Tugendreich von Kanitz ihr Schloss errichten. Lose Erde bildete das Fundament. Eine statische Meisterleistung war das nicht. Schon bald nach seiner Fertigstellung neigte sich das Schloss bedenklich gen Osten. Darum ließ Schlossherr von Kanitz ein weiteres Gebäude, eine Brauerei, als Stütze anbauen.

Und in diesem brüchigen Untergrund könnte das legendäre Bernsteinzimmer liegen. So zumindest munkeln die Stammtische der Region seit einigen Wochen. Grund: Ein Filmteam dreht seit einigen Wochen und forscht unter dem Neuen Schloss von Hainewalde.

Nazis nutzten die Anlage

„Das Bernsteinzimmer suchen wir nicht“, sagt Produzent Lars Pechtel. Aber andere Spuren aus der Vergangenheit, von denen der Filmemacher noch nichts verraten möchte. Denkbar im Fall von Hainewalde ist so manches. Es gibt Keller unter dem breiten Flügelbau mit der langen Treppe und den großzügigen Terrassen. Das wissen ehemalige Bewohner. Das weiß auch Gabriele Großhans, die sich mit dem Schlossförderverein seit Jahren für das rund 250 Jahre alte Herrenhaus engagiert. Sie weiß, dass die Nazis das Ensemble mit Park und Orangerie ab 1933 als Schutzhaftlager, später als Wehrertüchtigungslager nutzten. Vielleicht auch als Versteck für Kulturgüter? Doch Hainewalde lag nicht wirklich günstig, weil nahe am Osten. Von dort kam die Rote Armee, und die – so berichten Einheimische – plünderte auch das Schloss. Ob es viel mitzunehmen gab, ist fraglich. Denn die adligen Besitzer waren schon 1927 ausgezogen.

Das Fernsehvorhaben bringt dem Schloss viel Aufmerksamkeit. Die nützt nur, wenn sie auch Portemonnaies öffnet. Nichts braucht das Schloss so sehr wie Geld. Das riesige Gemäuer droht, teilweise einzustürzen. „Der Ostflügel ist unser Sorgenkind“, sagt Gabriele Großhans. 100000 Euro – so viel wäre nötig, um den Flügel zumindest abzusichern. Gerade wurden Stützpfeiler eingezogen.

Besitzer der Anlage ist die Gemeinde Großschönau. Der einst reiche Ort hatte das Ensemble 1927 gekauft. Bürgermeister Frank Peuker ist „von Amtes wegen“ Schlossherr. Eine problematische Verantwortung: „Es gibt Pflichtaufgaben für die Gemeinde, da ist so ein Objekt keine Entlastung.“ Erst recht nicht so ein Mammutprojekt. Niemand kann die Sanierung für den prächtigen Bau mit Rittersaal, Jagdzimmer, Bibliothek, Balkonen und Hallen finanzieren. 20 Millionen Euro Baukosten hat ein Mitglied des Schlossvereins mal geschätzt.

Die Nachfahren der einstigen Schlossherren können und wollen nicht einspringen. Immerhin – es fließen Spenden. Auch dank der Initiative des Schlossvereins. Über die Stiftung Denkmalschutz sind gerade rund 100000 Euro zusammengekommen. Der Verein um Gabriele Großhans lud immer wieder zu Vorträgen, Führungen und Kaffeetafeln ein. Sammelte für kleine Sanierungsschritte. Doch die Zukunft des Vereinsengagements ist aus internen Gründen ungewiss. Der Nutzungsvertrag mit Großschönau liegt deswegen auf Eis. Bürgermeister Frank Peuker hofft, dass die Initiative auch künftig im Boot für das Schloss bleibt. „Unsere Hand ist ausgestreckt.“

Versprechen im Tode

Der Bau des Herrenhauses begann hoffnungsvoll, zuversichtlich – als Projekt zweier Liebender. Er endete als ein eingelöstes Versprechen. Samuel Friedrich von Kanitz und seine Frau Christiane planten ihr neues Heim zusammen. Doch die Fertigstellung erlebte die Gemahlin nicht mehr. Sie starb. Auf dem Totenbett musste ihr der Gatte versprechen, das Schloss zu Ende zu bauen. Das Doppelwappen über dem Eingang erinnert auch an „seine Christiane“. Auf einem Wandgemälde in der großen Halle waren Schlossherr und -herrin verewigt.

Geblieben ist von diesem Bild nichts. Auch nichts von den Möbeln, die das Dienstmädchen Helene Michel in ihren Erinnerungen beschrieben hat. Doch trotz aller Sorgen und Mängel: es gibt kleine Fortschritte. Begeistert erzählt Gabriele Großhans: „Die Wände trocknen. Wir haben endlich die Wasseradern gefunden, die das Schloss nass machen.“ Jetzt tauchen auf dem dunklen fleckigen Grau plötzlich Muster auf, Verzierungen, Ranken. Glücksmomente. „Das ist auch neu“, sagt die Vereinsvorsitzende und zeigt auf eine zaghafte Farbspur im Treppenhaus.

Der Lieblingsort der Großschönauerin liegt unterm Dach. Gigantisch ist die Aussicht vom heute überdachten Balkon: Berge, das Flüsschen, Kirchtürme und Dörfer lassen für einen Moment vergessen, dass Hainewalde auf wackeligen Füßen steht.

Quelle: sz-online.de 31.08.2007