Nächstenliebe im barocken Gewand

Schloss Hainewalde

Wer einen runden Geburtstag feiern will, bereitet sich im Allgemeinen darauf vor. Manchmal tun das Kinder, Enkel oder gar Urenkel. Sie kümmern sich um die Festvorbereitungen, tragen für den Jubilar noch einmal zusammen, was an Besonderem geschehen ist, woran man sich gern erinnert. Hainewalde feiert demnächst einen solchen großen runden Geburtstag. „Kinder, Enkel und Urenkel“ sind dabei, sich Gedanken zu machen, wie der 300. Geburtstag unseres Kirchenhauses 2011 gefeiert werden kann. Und dabei gehen unsere Gedanken natürlich zurück. Sie gehen zu denen, die sich seinerzeit mit den Gedanken getragen haben, dass sie hier mit dem Bau des Schlosses als Sitz der Familie von Kanitz auch für das Dorf und die Menschen, die da leben, Verantwortung tragen. So schuf man zuerst in Hainewalde eine Kirchschule im Jahre 1702, danach das sogenannte Hospital, was seinerzeit ein Armenhaus war. 1711 kam es zum Neubau, der inzwischen baufällig gewordenen alten Kirche an neuer Stelle neben Schule und Hospital. Als letzten größeren Bau schufen die von Kanitzens 1715 die barocke Gruft hinter der Kirche.

Wir wissen, dass der Großteil der Mittel für den Bau der Kirche ein Geschenk der Herrschaft von Hainewalde war. Und es gab eine Verpflichtung, dass von den Zinsen der restlichen 1200Thaler der Schulmeister bis zu 20 Kindern umsonst Unterricht erteilen sollte. Andere Zinsen wurden für das Armenhaus und die Verwaltung der dortigen Stiftung eingesetzt. Man hat, modern gesprochen, in die Zukunft hineininvestiert, für Kinder gesorgt, den sozial Schwachen beigestanden. Und das nicht, weil es ein Sozialgesetzbuch gab, sondern weil es eine Auftrag vom christlichen Glauben her für sie gab. Einen besonderen Geist, dem sie sich verpflichtet fühlten, der u.a. im Wort Jesu zu Ausdruck kommt: Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten, wie dich selbst. Lk12,27

Das war sicher auch zu Zeiten der von Kanitz nicht so selbstverständlich, wie es klingen mag. Und damals wie heute gilt, dass nur der so ein Wort sich zu Herzen nehmen wird, dem zuvor dafür das Herz geöffnet worden ist. Auch, wenn man einbeziehen will, dass die Zeit des Barocks von einem besonderen Zeitgeist geprägt war und die Feudalordnung gewisse Vorgaben machte, denen man nachkommen musste, so bleibt doch dem Einzelnen vorbehalten, wie und wofür er seine Mittel einsetzt. Und hier war es den beiden, Otto Ludwig und Victoria Tugendreich von Kanitz, wichtig, sich zu engagieren. Aus Victorias Lebenslauf wissen wir, dass sie selber schwere Zeiten hinter sich hatte. Sie wuchs nach dem Tod ihrer leiblichen Eltern bei Pflegeeltern auf, heiratete einen 61-jährigen Witwer, der ihr zwar eine Tochter schenkte, aber bald darauf starb. Man drängte sie, schnell wieder zu heiraten, aber die folgende Ehe war sehr unglücklich, sodass es zur Scheidung kam. Mit Otto Ludwig von Kanitz war sie dann glücklich bis zu seinem Tode 1724 verheiratet. Und es darf angenommen werden, dass sie das Glück, das sie empfand, mit den Menschen um sie herum teilen wollte. Die Hainewalder Kirche erzählt uns etwas davon und lädt uns ein, über das Glück nachzudenken, das im Glauben seinen Ursprung fand.

Quelle: sz-online 29.07.2009

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